Im Dezember 2019 kündigte die Bundesregierung die Umsetzung einer EU-Richtlinie an, durch die die Bedingungen für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens (Verkürzung der Wartefristen für die Restschuldbefreiung) sowohl für Verbraucher wie auch für ehemalige oder aktuell tätige Selbstständige erleichtert werden sollte. Die Richtlinie sah die Umsetzung bis Juli 2021 vor, wobei die Bundesregierung diese Umsetzungsfrist auf Antrag hin um ein weiteres Jahr hätte verlängern können. Das alles ist seit dem 1.7.2020 Makulatur. Nunmehr soll wegen Covid 19 eine Verkürzung der Restschuldbefreiung (RSB) auf 3 Jahre im Hauruckverfahren eingeführt werden.
Am 9. September 2020 steht die Verabschiedung eines neuen Gesetzentwurfes der Bundesregierung auf der Tagesordnung des Bundestages, wonach die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf 3 Jahre bereits ab 1.10.2020 eingeführt wird.
Was bedeutet das für all diejenigen (Verbraucher und Selbstständige), die sich mit einer Antragstellung auf Durchführung des Insolvenzverfahrens beschäftigen?
Die wesentlichen Änderungen sehen wie folgt aus:
Für alle ab dem 1.10.2020 eingereichten Insolvenzanträge von Verbrauchern (Verbraucherinsolvenz-verfahren) und Selbstständigen/ehemaligen Selbstständigen (Regelinsolvenzverfahren) wird
die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens auf 3 Jahre reduziert.
Diese Verkürzung wird an keine Bedingungen geknüpft (Verkürzung auf 3 Jahre bisher nur dann, wenn mindestens 35 % der Forderungen nebst Verfahrenskosten bedient werden können), das ist die ganz wesentliche Erleichterung.
Für die Verfahren, die vor dem 1.10.2020 eingereicht wurden, gilt die bereits veröffentlichte Tabelle (Stufen-plan), wonach abhängig vom Datum der Einreichung zwischen dem 17. Dezember 2019 und dem 30. September 2020 eine Verkürzung der Restschuldbefreiung geregelt ist. Dies bedeutet: Wer einen Antrag bis zum 30. 9. 2020 stellt, muss immer noch eine Laufzeit von 4 Jahren und 10 Monaten berücksichtigen.
Es gibt aber auch neue Obliegenheiten des Schuldners, die zu beachten sind . So sieht § 295 Insolvenz-ordnung als neue Obliegenheit des Schuldners vor, dass dieser keine unangemessenen Verbindlichkeiten begründen darf, wenn er nicht riskieren will, dass ihm die Restschuldbefreiung versagt wird.
Der ganz entscheidende Unterschied zur bisherigen Regelung besteht darin, dass Obliegenheitsverletzungen und die daraus folgende Versagung der Restschuldbefreiung nunmehr auch von Amts wegen zu berücksich-tigen sind, wenn gleichzeitig Befriedigungsinteressen der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt sind .
Bisherige Regelung: Für die Versagung der Restschuldbefreiung bedarf es eines Antrags eines Insolvenz-gläubigers oder der Insolvenzverwaltung mit entsprechender Begründung.
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Die Verkürzung der Verfahrensdauer auf 3 Jahre ist für Verbraucher bis 30.6.2025 befristet. Es soll dann
geprüft werden, wie sich die Verkürzung auf das Verhalten der Verbraucher auswirkt.
Wer schließlich in einem nach dem 1.10.2020 eingereichten Verfahren nach 3 Jahren die RSB erhalten hat, für den gilt nunmehr eine 11-jährige Sperrfrist für ein neues Verfahren und dieses neue Verfahren hat dann eine Abtretungsfrist von 5 Jahren.
Was bedeutet diese Regelung für die Beratungspraxis (sofern der Gesetzentwurf tatsächlich vom Bundestag ohne Änderungen verabschiedet wird):
Aktuell sollte keinem Schuldner geraten werden, einen Verfahrensantrag einzureichen. Der Laufzeit- unterschied ist so groß, dass es kaum Gründe geben kann, die einen Insolvenzantrag zum gegenwärtigen Zeitpunkt bis zum 30. 9. 2020 rechtfertigt.
Problem: Wer sich bereits in sehr bedrängender Lage befindet, etwa bei drohender Zwangsvollstreckung/ Vermögensoffenbarung, Konten-und Gehaltspfändung sollte sich beraten lassen, in welcher Form eine Hängepartie bis zum 1.10.2020 überstanden werden kann.
Bei bereits eingereichten Verfahren, die noch nicht eröffnet wurden, kann der Antrag zurückgenommen werden. Allerdings ist schnelles Handeln angesagt. Wenn der Eröffnungsbeschluss in der Welt ist, gibt es kein Zurück mehr.
Es heißt also abwarten bis zum 1.10.2020 (In welcher Form wurde das Gesetz letzten Endes verabschiedet?) und dann die in der Bearbeitung befindlichen Insolvenzanträge einreichen. Es besteht nach wie vor Formularzwang, eine Änderung der Anlagen 2 und 3 steht bevor.
Zu beachten gilt: Nach wie vor darf der außergerichtliche Einigungsversuche nicht älter als 6 Monate sein.
Diese im Laufe von wenigen Monaten vom Justizministerium letzten Endes aufgrund der Pandemie vorgezogene Regelung ist für künftige Insolvenzanträge zweifelsohne eine ganz erhebliche Erleichterung, wenn die RSB nach 3 Jahren ohne wenn und aber erteilt wird, ohne Mindestquote also und ohne zwingende Kostenregelung. Indessen: Das Insolvenzrecht ist aus Sicht der Betroffenen ohnehin keine unkomplizierte Regelung und setzt bei Beratern einen ganz erheblichen Wissensfundus voraus. Diese tagespolitisch motivierte Ad-hoc Regelung als Ergebnis einer Initiative aus Gründen der Pandemie führt u.a. zu Ungerechtigkeiten gegenüber bereits laufenden Verfahren. All diejenigen, die einen Antrag vor dem 1.7.2020 gestellt haben, nehmen zwar an sukzessiver Verkürzung der Wartezeit teil, sind aber im Verhältnis zu den Antragstellern ab 1.10.2020 ganz erheblich benachteiligt. So hätte es sich angeboten, hinsichtlich der Wartezeit im Rahmen einer Übergangsregelung Härten für diejenigen zu vermeiden, die im Vertrauen auf die geltende Regelung bis zum 30.6.2020 Anträge gestellt haben.
Immerhin: Im Gesetzgebungsverfahren kann sich noch etwas ändern.
In jedem Fall sollte bis zum 9.9.2020 mit der Entscheidung über die Einreichung eines Antrags gewartet werden.